Als Mitarbeiter im Büro seines Vaters Dominikus reiste Gottfried Böhm, 31 Jahre alt, 1951 für ein halbes Jahr in die USA, um Kontakte zu knüpfen und sich fortzubilden. Von New York aus, wo er bei dem Architekten und Franziskaner Cajetan Baumann arbeitete, unternahm er Reisen zu Walter Gropius in Harvard und zu Ludwig Mies van der Rohe in Chicago. Bewusst suchte er diese beiden „Heroen“ des Bauhauses auf, deren Ruf zu dieser Zeit schon beinahe legendär war.
Zurück in Deutschland zeigten die Einflüsse Wirkung in einigen Wohnhausprojekten Böhms. Unter anderem mit dem Wohnhaus Kendler in Köln-Junkersdorf (1953) und mit seinem eigenen Wohnhaus in Köln-Weiß (1954-1955) verwirklichte Böhm Bauten, die im besten Sinne dem vom Neuen Bauen angeregten Internationalen Stil entsprechen, wie er ihn in den USA kennengelernt hatte. Ab 1962, schon in der Schaffensphase seiner kunstvollen Betonskulpturen, erweiterte Böhm sein Haus mit einem Anbau und weiteren Details, die seine zu dieser Zeit charakteristische Handschrift zeigen.
Haus Böhm liegt auf einem Grundstück am Rheinufer im Stadtteil Weiß im Süden von Köln. Es grenzt direkt südlich an das Grundstück der Kirche St. Georg an, die der Architekt Josef Bernard 1954 fertiggestellt hatte. Anders als die Kirche tritt das Wohnhaus städtebaulich nur sehr dezent in Erscheinung, zumal es von der Grundstücksgrenze in der West-Ost-Achse jeweils tief zurückgesetzt ist. Der erste Bauabschnitt des Böhmschen Bungalows ist der geradlinigen und klaren Internationalen Moderne um 1950 verpflichtet. Er entwickelt sich auf leicht trapezförmigem Grundriss, die längere Ostseite öffnet sich als fünfteilige Fensterfront in ganzer Breite auf den Garten und das Rheinpanorama.
Die übrigen Wände zeigen Backstein, wobei die Westseite die Eingangsseite ist und die Südseite vier Fenster aufweist. Nach außen gewährt das Haus durch diese Geschlossenheit wenig Einblicke. Der Grundriss und die Innenaufnahmen enthüllen, dass die Raumfolge um ein zentrales Atrium organisiert ist. Die ab 1962 hinzugefügten Bauteile zeigen Böhms plastische Gestaltungskraft mit Beton (z.B. das Taubenhaus am neu entstandenen westlichen Vorhof) und seine beinahe spielerischen Rückgriffe auf historische Motive (z.B. die Rundbogenpergolen auf der Rheinseite und über dem Atrium).
Der erste Bauabschnitt von Haus Böhm ist architektonisch zwar eher nüchtern gestaltet, zeigt aber mit dem Bodenbelag und dem Atrium ein bemerkenswertes Ausstattungsdetail: Der Backsteinfußboden ist als schwellenlos durchgehende Fläche gedacht, so dass das Atrium und die umgebenden Räume ein räumliches Kontinuum ergeben, das ebenso schwellenlos in den Garten übergeht. Außerdem ist im Atriumboden ein rundes Brunnenbecken eingelassen. Im zweiten Bauabschnitt kamen Ausstattungsdetails wie die Pergolen und aus Backstein gemauerte Sitzbänke mit runden Wangen hinzu. Auch das einer Betonskulptur gleiche Taubenhaus ist wie ein eigenständiges Kunstwerk anzusprechen.
Haus Böhm ist ein faszinierendes Zeugnis aus der Anfangsphase Böhms als eigenständiger Architekt, der sich zunächst noch an wegweisenden internationalen Vorbildern orientierte. Zugleich bezeugt es das Konzept des „Weiterbauens“, das Gottfried Böhm in vielen seiner Projekte seit den 1960er Jahren am Herzen gelegen hat. Der Ursprungsbau ist gediegene Internationale Moderne und ermöglicht einen Blick in Böhms frühes Schaffen. Seine sachliche Nüchternheit erklärt sich nicht zuletzt aus den Einflüssen der USA-Reise 1951.
Die ab 1962 hinzugefügten Teile sind liebenswürdige kleine Geschwister der Betonskulpturen, wie sie mit dem Mariendom in Neviges und dem Rathaus in Bensberg entstanden. Beide Zeitschichten stehen für sich, vor allem aber sind sie im Verbund miteinander interessant.