Der Pilgerort, vierundachtzig Jahre alt, entstand mit der Laienapostolin Antonie Rädler, die sich 1936 weigerte, ein Marienbild gegen das Führerbild auszutauschen und in Folge drei Mordanschläge überlebte. In Dankbarkeit über ihre Rettung errichtete sie eine Lourdesgrotte, über die sie angab, den Wunsch Mariens empfangen zu haben, an jenem Ort verehrt und angerufen zu werden. 1940 wurde die von ihr initiierte Gnadenkapelle fertiggestellt, die als Anlaufpunkt für Menschen in Not während des Nationalsozialismus und des Zweiten Weltkrieges fungierte.
Nach dem Kriegsende nahm die Frequentierung von Betenden an diesem Platz weiter zu, sodass Gottesdienste im Freien stattfanden und 1970 der heutige Kirchenbau bei Böhm in Auftrag gegeben wurde. In den Jahren 1983 und 1987 wurde die Anlage um ein Pilgerheim erweitert, in 2014 saniert.
Neunzehn stählerne Sechsecke bilden die Wabenstruktur des Kirchenbaus. Der Grundriss zeigt eine unregelmäßige Anordnung von Pavillons: dreizehn von ihnen formen den überdachten Innenraum, sechs weitere den offenen Eingangsbereich, der sich nach Westen hin zum Ort Wigratzbad wendet. An der östlichen Seite erhebt sich das Spitzdach deutlich über allen anderen Zeltdächern und markiert damit den Altarbereich. Zu dieser Seite präsentiert sich der Bau gegenüber dem Pilgerheim. Ein niedriges Fensterband umrandet den Raum, durch die Fenstereinsätze in den Dachspitzen fällt gleichmäßiges Licht.
Die Kirche ist ein offener Raum, dominiert von der Stahlarchitektur, die ihre Konstruktion selbst ausstellt. Die Wände und spitz zulaufenden Dächer der Pavillons sind innen wie außen dunkelgrün lackiert, gerahmt von dem roten Liniengerüst der Fachwerkträger und Säulen. Eine Galerie durchzieht die Kirche von Norden nach Süden in einer Zick-Zack Form.
Zwei Spindeltreppen führen hinauf. Die Galerie und das Geländer mimen damit die gezackte Form des Fachwerkträgers. Sie mündet in eine Chor- und Orgelempore, die über dem abgetrennten Priesterraum im Erdgeschoss liegt. Rote Lampen stellen in ihrer schlichten modernistischen Form einen Kontrast zu den hölzernen Kirchenbänken dar, die aus fünf Richtungen um den erhöhten Altarbereich platziert sind. Dieser liegt auf einer vierstufigen runden Plattform.
In dem sich wiederholenden Element des Sechsecks spiegelt sich die Architektur von Böhms Zeitgenossen Aldo van Eyck und Herman Hertzberger wieder. Die additiven Grundrisse ihrer Architektur theoretisierten sie einflussreich als strukturalistische Entwurfstechnik. Das Fortsetzen des immer gleichen Moduls ermöglicht darin Kontrolle, aber auch funktionale Flexibilität. Das sieht man in Böhms Entwurf umgesetzt: während die strenge Wiederholung des immer gleichen Moduls die architektonische Form definiert, durchkreuzen die Galerie und die runde Empore des Altarbereichs diese Logik.