Bevor der heutige Stadtteil Kettwig im Zuge der kommunalen Neugliederung in Nordrhein-Westfalen im Jahr 1975 der Stadt Essen zugeschlagen wurde, bildete der Ort am Ufer der Ruhr eine eigenständige Kommune. Die historische Stadt am Fluss erfuhr in der Nachkriegszeit ein bisher ungekanntes Wachstum, das sich insbesondere durch den Bau eines neuen Siedlungsgebiets für rund 6.000 Menschen auf 42 Hektar oberhalb der Altstadt darstellte.
Die Bebauung orientierte sich dabei weitgehend am zeittypischen seriellen Geschosswohnungsbau mit Punkthochhäusern, winkelförmig angelegten Wohnblöcken und Zeilenbebauungen. Als Teil einer neu zu schaffenden sozialen Infrastruktur sahen die Planungen auch ein ökumenisches Kirchenzentrum vor, das evangelische und katholische Einrichtungen in enger Nachbarschaft verbinden sollte. Aus vier eingereichten Wettbewerbsentwürfen überzeugte Ende des Jahres 1973 das Konzept Gottfried Böhms. Realisiert wurde das Projekt in zwei Bauabschnitten: bis 1977 entstand mit St. Matthias zunächst der katholische Teil des Zentrums und anschließend wurde das evangelische Gemeindezentrum Auf der Höhe bis 1983 fertiggestellt.
Das Gebäudeensemble des Kirchenzentrums befindet sich an der geschwungenen Erschließungsstraße, welche die verschiedenen Teile des damaligen Neubaugebiets mit der Altstadt verbindet, und nimmt innerhalb des Siedlungskörpers eine zentrale Position ein. Entlang der Straße zeigt sich das Kirchenzentrum mit einer sehr breiten Ansicht, die in ihrer Dimensionierung den benachbarten Großbauten nicht nachsteht. Aus der südlich gelegenen Altstadt kommend, ist auf der linken Seite hinter Parkplätzen und einer baumbestandenen Rasenfläche zunächst der zweite Bauabschnitt zu sehen. In der Mitte der Gesamtansicht markiert ein zylindrischer Turm mit Kegelspitze den Übergang zum älteren Abschnitt des Zentrums, der sich mit einem gepflasterten Vorplatz zum Straßenraum öffnet.
Trotz der großen Grundfläche des Zentrums und der beachtlichen Länge seiner Straßenansicht setzt es sich gestalterisch deutlich von den monotonen Wohnblöcken ohne jede Tiefe ab. Das Kirchenzentrum stellt sich als kleinteilig gegliedertes und strukturiertes Gebilde dar, welches von der charakteristischen Dachlandschaft, die alle Gebäudeteile überspannt, geprägt ist. Mit unzähligen nebeneinander angeordneten und hintereinander gestaffelten Giebeln, die gleichzeitig die einzelnen Bereiche zu einem Ganzen zusammenbinden und eine besonders vielfältige Ansicht erzeugt. Obwohl die einzelnen Gebäudeteile stets zweigeschossig bleiben, sorgen unterschiedliche Höhen für noch größere Varianz innerhalb der Ansicht. Unter dem gemeinsamen Dach finden viele unterschiedliche Nutzungen des Kirchenzentrums Platz: es enthält neben einem katholischen sowie einem evangelischen Sakralraum zwei Kindergärten, ein Jugendheim, eine Bibliothek, eine Gastwirtschaft und auch Wohnungen, was dem Anspruch als sozialer Mittelpunkt des Stadtteils gerecht wird. Gestalterisch wählte Gottfried Böhm vor allem rotes Mauerwerk als im gesamten Komplex dominierendes Material.
Während sich jedoch der zweite Bauabschnitt mit den evangelischen Einrichtungen inklusive des Turms fast vollständig in Sichtmauerwerk präsentiert, sind alle Giebel im ersten Bauabschnitt mit ockerfarbenen Blechen verkleidet. Wie auch in einigen anderen Werken wählte Böhm im gesamten Komplex die Farbe Grün für Fenster, Türen, Geländer und Tore. Über eine Treppe am Hauptzugang des Zentrums gelangen Besucher zunächst in einen überdachten Vorbereich des katholischen Sakralraums, der sich links zu einem Innenhof hinter dem zweiten Bauabschnitt öffnet. Bestimmendes Element ist hier die unlackierte Stahlkonstruktion des fünffach gefalteten Dachs, das in seiner Untersicht die vom Stahl getragenen Betonelemente offensiv zur Schau stellt. Auch wenn sich erster und zweiter Bauabschnitt harmonisch zu einem Ganzen fügen, sind doch auch Unterschiede in der Formensprache erkennbar, welche im älteren Teil industrielle Akzente setzt und im jüngeren Teil stärker postmoderne Züge trägt.
Größter Innenraum der Gesamtanlage ist der katholische Sakralraum für St. Matthias. Die schon im Vorbereich erkennbare offene Stahlskelettkonstruktion setzt sich ohne Brüche auch im Inneren des Sakralraums fort, der damit fast schon den schlichten Charakter einer einfachen Versammlungshalle erhält. Der Raum wird zunächst von einem etwa zwei Meter hohen Mauerwerkssockel definiert, der zahlreiche Faltungen aufweist und somit einen unregelmäßigen Grundriss erzeugt. Die mit einzelnen Holzstühlen und leuchtend roten Tonplatten auf dem Boden ausgestattete Fläche des Raums wird dabei dreiseitig von einer Empore umfasst, deren Geländer ebenso wie die Türen im Raum in grüner Farbe lackiert sind. Auf dem Mauerwerkssockel steht eine ebenfalls grüne Pfosten-Riegel-Konstruktion mit gleichmäßiger Unterteilung, die die Verglasung bis unmittelbar unter das Dach führt. Alle Gläser sind mit matten Rosenblüten bedeckt, sodass zwar viel Licht in den Innenraum fällt, jedoch kein Ausblick nach draußen gegeben ist.
Das im Gegensatz zur Raumform strenge Raster der tragenden Stahlkonstruktion ist vom Grundriss abgekoppelt, sodass sich mehrere Stützen des Kirchendachs auch im Außenbereich befinden. Die Pfosten-Riegel-Konstruktion der Verglasung schließt stumpf an die Stahlträger bzw. die Betonelemente der Dachkonstruktion an. Im Kontrast zur rohen Anmutung der Dachuntersicht aus Stahl und Beton sind in jedem Deckenfeld Malereien der Künstler Theo Heiermann und Kurt Balke zu erkennen, die Motive aus dem Leben Christi zeigen und dabei Schlieren früher Feuchtigkeitsschäden überdecken. Der Altar steht auf einem runden Podest mit zwei Stufen und ist, wie zur Kompensation der allgemein eher profanen Erscheinung der Halle, stärker hervorgehoben.
Gottfried Böhms Werk in Kettwig ist typologisch der Gruppe der Gemeindezentren zuzuordnen, welche er besonders in einer späteren Phase seines Schaffens auch in Gelsenkirchen-Ückendorf und Opfenbach-Wigratzbad realisiert hat. Diese haben gemeinsam, dass sie als Ganzes weniger das Sakrale hervorheben, sondern vor allem auch ein soziales Zentrum sein wollen. Dies drückt sich unter anderem darin aus, dass die Räumlichkeiten meist multifunktional genutzt werden können und nicht nur dem Sakralen allein dienen müssen.
In Kettwig deutet auch die simpel erscheinende Gestaltung des Sakralraums, die mitunter an eine Werkhalle erinnert, auf das bewusst niederschwellige Angebot hin, dass die Kirchengemeinden der Anwohnerschaft machen möchten. Die Ausgestaltung als ökumenisches Zentrum verdeutlicht, dass ein Fokus auf den sozialen Zusammenhalt gesetzt werden sollte, der die scharfe Trennung der Konfessionen überwunden hat und dennoch jedem seine Eigenheiten belässt. Es handelt sich dabei um den einzigen evangelischen Sakralraum im Werk Gottfried Böhms. Gestalterisch spielt die Gesamtanlage besonders stark mit der klassischen Typologie des giebelständigen Wohnhauses als abstrahiertes Symbol für Heimat und Geborgenheit. Gleichzeitig spiegelt die komplexe Dachlandschaft die Vielfalt der Menschen wider, die hier zusammenkommen. Ebenso führt die Komplexität des Ensembles vor Augen, dass sich auch viele Unterschiede und scheinbar Trennendes in einem großen Ganzen vereinen können. Insgesamt folgte das Kirchenzentrum somit dem Trend weniger sakral erscheinender Räume, der unter dem Einfluss der gesellschaftlichen Erneuerung nach 1968 entstand.