Im Südwesten Jülichs entstand nach 1918 außerhalb des Zentrums eine Wohnsiedlung der Moderne, für die Beschäftigten der Deutschen Reichsbahn. Zeitnah wurde ein Kirchenbauverein gegründet und auch ein Grundstück für die Kirche erworben. Jedoch musste die Planung für den Kirchenbau auf die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg verschoben werden.
Gottfried Böhm begann mit den ersten Entwürfen für das Gemeindezentrum bereits Ende 1959. Der endgültige Entwurf stammt aus dem Jahr 1961. Ein Jülicher Architekt übernahm die Umsetzung und Bauleitung. Die Bauarbeiten begannen bereits im Jahre 1960 und wurden bis 1965 fortgeführt. Seit 2011 steht die katholische Pfarrkirche St. Rochus unter Denkmalschutz. Im Januar 2023 wurde die Kirche profaniert und an einen Jülicher Fahrradhändler verkauft.
Das Ensemble St. Rochus umfasst den basilikalen Kirchenbau mit flachem Walmdach und die eingeschossigen Flachbauten des Gemeindezentrums, die sich auf dem langegestreckten Eckgrundstück um einen Hof gruppieren. Während die niedrigen Gebäudeteile ziegelsichtig und mit einem durchlaufenden Betonsturzband abgeschlossen sind, bilden Kompositionen aus Sichtbetonflächen die Stirnfassaden des Mittelschiffs der Kirche.
Die Westfassade des Hauptschiffs ist gegenüber den Seitenschiffen vorgezogen. An der Chorseite im Osten sind die Seitenschiffe um circa zehn Meter weitergeführt. Hier bildet sich eine hofartige Situation aus, die an drei Seiten die achteckige Taufkapelle mit spitz zulaufendem Turmaufsatz einfasst. Diese ist durch einen trapezförmigen Gang mit dem Hauptschiff verbunden.
Böhm stellt für das Mittelschiff umlaufende Stahlbetonbinder auf je zwei Stützen für die Seitenwände und je zwei Stützen für die Stirnwände und legt darüber den Obergaden in Form eines über Eck durchlaufenden Fensterbandes, wodurch der massive obere Abschluss mit der abgehängten Flachdecke zu schweben scheint.
Der freistehende Glockenturm im Nordwesten markiert den Eingangsbereich in das Ensemble und ist durch zwei horizontal gespannte Stahlbetonbinder mit dem Kirchenbau verbunden.
In der Westfassade befindet sich hinter einem Windfang der Eingang mit Bronzetür, die in ihrer Gestaltung deutlich die Handschrift Böhms zeigt. Auf mittiger Höhe und in der unteren Hälfte gibt es quadratische Einschnitte für Bleiglasfenster, die in neun Quadrate unterteilt sind. Die beiden oberen Fensterflächen ziehen sich auf Nord- und Südseite als Fensterband durch und enden auf der Ostfassade ebenfalls über Eck. An der Nord- und Südfassade der Seitenschiffe, die sich als Lochfassaden präsentieren, buchtet die Außenmauer zweimal in Form von kleinen Apsiden halbkreisförmig aus.
Beim Betreten des Kirchenraumes öffnet sich ein kastenförmiger hoher Raum mit abgehängter Holzdecke, der trotz seiner massiven Sichtbetonwände unerwartet hell und geräumig wirkt. Die niedrigen Seitenschiffe mit ihrer geringen Belichtung durch die Lochfassaden erzeugen hierzu einen starken dunklen Kontrast, obgleich sie mit dem fast stützenlosen Mittelschiff eine räumliche Einheit bilden.
Der Glaskünstler Hubert Spierling gestaltete die Fenster mit abstrakten Motiven in blau und lilafarbenen Tönen. In Verbindung mit der fast stützenlosen Konstruktion inszeniert die Lichtführung dieser Fenster einen Raum, dessen tragende und lastende Architektur in Schwebezustand versetzt wird.
Der Altar aus grauem Granit erhebt sich über einer Altarinsel ebenfalls aus Granit, die sich vom roten Ziegelboden des Kirchenraums abgrenzt. Hinter dem Altar befindet sich eine Wandscheibe aus Sichtbeton. Das umlaufende Fensterband findet eine Fortsetzung in einem Wandmosaik des Künstlers Peter Paul Jacob Hodiamont auf der Wandscheibe hinter dem Altar. Im nördlichen Seitenschiff in Höhe der Altarinsel befindet sich die Werktagskirche, in die der Taufstein der Taufkapelle versetzt wurde.
Hinter der Wandscheibe des Altars liegt in Fortführung der Mittelachse die achteckige Taufkapelle, die mit einem im Grundriss trapezförmigen gläsernen Gang mit dem Mittelschiff verbunden ist. Auch die Kapelle ist durch Glasbausteinwände hell beleuchtet. Die tragende Konstruktion besteht aus Stahlbetonstützen, die mit Absicht nicht in den Ecken des ziboriumsartigen Kapellenbaus angeordnet sind, und einer darüber liegenden flachen Betondecke mit achteckigen Schalmustern.
Die von Gottfried Böhm entworfene Kirche St. Rochus zeichnet sich durch ihre städtebauliche Anlage sowie durch ihre bemerkenswerte Verbindung von Konstruktion und räumlicher Gestaltung aus. Durch die Verwendung von Sichtbeton, meist in Form von Waschbeton, in Kombination mit Mauerwerk fügt sich das Gebäude in die Zeit des Brutalismus ein. Seine eigenständige Interpretation des Kirchenraums, wie etwa der fast stützenfreie basilikale Raum, nimmt die liturgischen Reformbestrebungen der Vorkriegszeit unter gleichzeitiger Berücksichtigung der kirchlichen Bautraditionen auf. Herausragend ist sein Umgang mit der architektonischen Masse, die durch den geschickten Einsatz der Konstruktion und die Lichtführung in den Zustand der Schwerelosigkeit versetzt wird. Mit einer geradezu manieristischen Geste verbildlicht Böhm in dieser Kirche die Idee der Schwerelosigkeit und des Zusammenhalts in einem Detail der Türöffnung in der hinteren Abschlussmauer des Ensembles, bei dem der Türsturz zwischen den Laibungen als rechteckiger Betonrahmen nach oben versetzt ist. Das Detail nimmt die Idee des Gesamtensembles auf, das durch seine Verbindung mit Sichtbetonbindern auch eine symbolische Einheit bildet.