Gottfried Böhm unterhielt eine sehr fruchtbare berufliche Beziehung zum Unternehmen Züblin, einer der größten Bauunternehmungen der Bundesrepublik. Diese hatte ihre Grundlage vor allem in der guten Zusammenarbeit bei der Umsetzung der ikonischen Wallfahrtskirche in Neviges, bei der Architekt und ausführendes Unternehmen ein unvergleichlich komplexes Betonkunstwerk mit internationaler Strahlkraft verwirklichten. Bereits der Schweizer Gründer Eduard Züblin machte das Bauen mit Beton zu einem Schwerpunkt der Firma, der sich über mittlerweile ein ganzes Jahrhundert stetig weiterentwickelte. Kein Wunder also, dass der Kölner Architekt mit dem gemeinsamen Werk in Neviges, aber auch mit Referenzen wie dem Rathaus Bensberg oder dem Kinderdorf Bethanien als Meister der ästhetischen Verwendung dieses Baustoffs besonders gut in Erinnerung blieb. Da der Unternehmensvorstand Anfang der 1980er Jahre trotz der negativen öffentlichen Wahrnehmung des Baustoffs eine neue Firmenzentrale aus Betonfertigteilen projektierte, welche die positiven Aspekte des Materials verdeutlichen sollte, lag eine Beauftragung Gottfried Böhms besonders nahe. In der Überzeugung, dass der Beton-Virtuose erneut eine gestalterisch hervorragende Lösung vorstellen würde, entschied sich das Unternehmen gar für eine Direktbeauftragung Böhms, was vom großen Vertrauen in die Fähigkeiten des Architekten zeugt. Nach der Bauphase in den Jahren 1983 und 1984 wurde die neue Hauptverwaltung des Unternehmens 1985 eingeweiht. Auch nach einer grundlegenden Sanierung in den Jahren 2016-2017 blieb die ursprüngliche Nutzung und Erscheinung weiterhin erhalten.
Das sogenannte Züblin-Haus befindet sich in einem Gewerbegebiet auf einem ehemaligen Acker zwischen den peripheren Stuttgarter Stadtteilen Möhringen und Vaihingen. Zur Bauzeit in den 1980er Jahren entstand das Gebäude – eher untypisch für ein Projekt von Gottfried Böhm – mitten auf der „grünen Wiese“ und ohne jegliche Bestandsbebauung in der Nachbarschaft, die einen Maßstab oder bauliche Anknüpfungspunkte hätte vorgeben können. Obwohl die Stadt in den folgenden Jahrzehnten immer näher an den Firmensitz heranwuchs, öffnen sich nördlich des Gebäudes auch heute noch weite Felder. Südlich und östlich des ursprünglich für 700 Mitarbeiter errichteten Objekts entstanden weitere Neubauten in den Jahren 2002 und 2012, sodass mittlerweile ein zusammenhängender Campus für circa 1.200 Angestellte der Firma Züblin entstanden ist. Unverändert ist das Verhältnis zu den umgebenden Gebäuden jedoch durch große Abstände gekennzeichnet, sodass sich in dieser Nachbarschaft bis heute kein urbaner Charakter entwickeln konnte.
Der Gebäudekomplex besteht aus zwei 94 Meter langen, bis zu 8 Geschosse hohen und an den Köpfen mit zwei Terrassen abgetreppten Riegeln, die mit einem Abstand von 24 Metern parallel zueinander angeordnet sind. Die repetitive Anordnung der Betonfertigteile sowie deren rötliche, mit Eisenoxyd-Pigmenten hergestellte Färbung verleihen der Fassade ihre charakteristische Erscheinung. Die horizontale Schwere, die dem Wechsel von massiven Brüstungsbändern und Fensterreihen geschuldet ist, durschneiden jeweils drei zylindrische Türme mit kraftvoller vertikaler Bewegung, von denen jeweils die äußeren als Treppentürme dienen. Auf einer Länge von 60 Metern wird der erzeugte Zwischenraum von einer imposanten Glashalle überspannt. Obwohl allein die seitlichen Riegel die eigentliche Büronutzung aufnehmen, ist es diese Halle, welche die Ansicht des gesamten Gebäudes in hohem Maße dominiert. Mit ihrem abgewalmten Satteldach, das die Büroriegel mit einer Firsthöhe von 33 Metern weit überragt, stellt sie sich mit überbordendem Selbstbewusstsein der umgebenden Peripherie entgegen. Ihr riesiges Volumen und die streng symmetrische Anordnung des Gesamtkomplexes verleihen dem Haus die Ausstrahlung eines Büropalastes vor offenem Feld. Zwei quadratische Nebengebäude, die flankierend zum Haupteingang auf der Westseite platziert sind, erinnern zudem an Wachthäuser barocker Schlossanlagen. Böhm schuf auf diese Weise eine eigentümlich phantasievolle Melange aus Fertigteil-Funktionalismus und historisch inspirierter Herrschaftsarchitektur.
Das Innere des Gebäudes wird ebenso wie die äußere Gestalt von der großen Glashalle geprägt, die als Bezugspunkt für den gesamten Innenraum wirkt. Während das Foyer hinter dem Haupteingang der Westfassade vergleichsweise wenig Raum in Anspruch nimmt, öffnet sich unmittelbar im Anschluss die beeindruckende Innenhoffläche, die vom gläsernen Satteldach überspannt wird. Als wäre es ein Außenraum, wachsen dort hohe Laubbäume und der Fußboden erinnert an die Oberfläche eines städtischen Platzes. Ein mittig im Hof platzierter Erschließungsturm mit Panoramaaufzügen teilt das Hallenvolumen jedoch in zwei Hälften. Ebenso wie zwei weitere Treppentürme an den beiden äußeren Glasfassaden dient er als Knotenpunkt für die durch die Halle verlaufenden Verbindungsstege zwischen den Büroriegeln, welche eine umfangreiche Durchwegung der Halle auf allen Ebenen ermöglichen. Seit vielen Jahren werden die Flächen der Halle dabei nicht nur als Aufenthalts- und Pausenraum für Mitarbeitende genutzt, sondern auch für kulturelle Veranstaltungen, die das voluminöse Firmengebäude in eine Spielstätte für Musik und Tanz verwandeln. Im Gegensatz zur Halle besitzen die Büroriegel eine wenig aufregende Funktionalstruktur mit mittig angelegten Fluren, an denen sich zu beiden Seiten die einzelnen Büros anordnen. Gekreuzt werden die innenliegenden Flure von den Querverbindungen durch die Halle, sodass ein regelmäßiges Wegeraster entsteht, das den Grundriss durchzieht. Auch innerhalb des Gebäudes besteht also ein großer Kontrast zwischen gebrauchsorientierten Strukturen und außergewöhnlichen Raumerlebnissen.
Mit dem „Züblin-Haus“ machte Gottfried Böhm seinem Ruf als „Meister des Betons“ wieder einmal alle Ehre und bewies, dass auch mithilfe von industriell produzierten Betonfertigteilen eine künstlerisch und ästhetisch hochwertige Architektur möglich ist. Er erfüllte damit die Aufgabenstellung der Firma Züblin in vollem Maße, die sich eine Würdigung des Materials gewünscht hatte, das nach exzessiver und missbräuchlicher Anwendung in den vorangegangenen Jahrzehnten von der Öffentlichkeit zunehmend infrage gestellt worden war. Mit den ästhetisch hervorgehobenen Erschließungstürmen sowie der roten Färbung des Baumaterials verschafft der Architekt in diesem Entwurf einigen klassischen Elementen seines Repertoires einen erneuten Auftritt. Auch die riesige Glashalle wirkt beinahe als gebaute Utopie, die Böhms intensive Auseinandersetzung mit dem Thema der Halle beziehungsweise Passage widerspiegelt, in diesem Fall sozusagen unter besten Versuchsbedingungen ohne jeglichen Kontext. Mit dem spielerisch-ironischen Verweis auf historische Herrschaftsarchitekturen integriert Böhm zudem auch postmoderne Tendenzen in sein Werk. Das Fehlen eines städtischen Kontexts ist zugleich jedoch auch die größte Schwäche dieses übermütigen Bauwerks, das mit seinem palastartigen Äußeren nicht wirklich am richtigen Ort zu stehen scheint.