Das 1003 urkundlich erstmals als „Berka“ erwähnte Rheinberg am Niederrhein erhielt im 13. Jahrhundert eine Befestigung und im 14. Jahrhundert Stadtrechte. Als kurkölnisches Amt wurde die Stadt erstmals 1253 genannt. Die jahrhundertelang beherrschende erzbischöfliche kurkölnisch-kurfürstliche Landesburg ist allerdings nur noch als Ruine erhalten. Prägend für die Silhouette sind insbesondere der Turm der im späten 12. Jahrhundert errichteten Pfarrkirche St. Peter und der aus den 1950er Jahren stammende sogenannte „Kräuterturm“ – ein markanter Bau des Rheinberger Spirituosenunternehmens Underberg. Der Marktplatz wird beherrscht vom stattlichen Backstein-Rathaus von 1449, das im 19. Jahrhundert historistisch überformt wurde. Außerdem finden sich hier zahlreiche historische Bürgerhäuser, oft mit Fassaden des 19. und frühen 20. Jahrhunderts.
Schon in den 1950er Jahren gab es im Stadtrat Überlegungen für ein neues Verwaltungsgebäude, da die Stadt einen enormen Bevölkerungszuwachs erlebte. Mit dem Landesplanungsgesetz von 1962 wurden außerdem eine kommende kommunale Neuordnung und weiterer Platzbedarf für die Verwaltung absehbar. Nach dem Grundsatzbeschluss für einen Neubau 1964 wurde ein Wettbewerb für einen Erweiterungsbau des Alten Rathauses veranstaltet. Gottfried Böhm konnte den Wettbewerb 1965 für sich entscheiden, doch wurde das Projekt zunächst nicht weiterverfolgt. Stattdessen begannen 1969 Planungen zum Neubau einer Stadthalle, die ihren Platz im Stadtpark finden sollte und an denen Böhm sich nicht beteiligte.
1974, zehn Jahre nach dem Grundsatzbeschluss, fasste der Stadtrat den Beschluss, die Projekte Stadthalle und Verwaltungsneubau zusammenzuführen, im April 1975 folgte der Beschluss, den Auftrag für die Planung an Gottfried Böhm zu vergeben, für den das Projekt Rheinberg damit sozusagen zurückkehrte. Als Standort war nun die Nordostecke des Marktplatzes vorgesehen, wobei das Gebäude der „Alten Apotheke“ einzubeziehen war. Im selben Jahr erfolgte auch die kommunale Neuordnung, bei der die Stadt Orsoy und die Gemeinden Borth und Budberg zu Rheinberg kamen, das seinerseits Teil des neugebildeten Kreises Wesel wurde.
Im Mai 1976 stimmte der Stadtrat Böhms Entwurf zu, im September 1978 begannen die Ausschachtungsarbeiten, am 9.12.1978 erfolgte die Grundsteinlegung. Der im Sommer 1980 begonnene Innenausbau war nach rund einem Jahr abgeschlossen, so dass Verwaltung und Gastronomie das Gebäude beziehen konnten. Die Einweihung wurde vom 4. bis 6. September 1981 mit einem Bürgerfest gefeiert.
Der umfangreiche Gebäudekomplex steht an der Nordostecke des Großen Marktes. Den Anschluss an die vorhandene Bebauung erzielte Böhm mit der Einbeziehung zweier vorhandener Bauten, nämlich der im rechten Winkel zum Stadthaus stehenden „Alten Apotheke“ und dem ehemaligen Restaurant „Krone“. Bei dessen Fassade handelt es sich freilich um eine Rekonstruktion, denn das Gebäude war im Zuge der Baufeldvorbereitung zunächst vollständig abgetragen worden. Durch diese Anbindung und die Einbindung der historischen Architektursprache tritt das Stadthaus trotz seines großen Volumens nicht dominierend in Erscheinung.
Die Hauptfront des Stadthauses blickt nach Süden auf die gotische Kirche St. Peter und den früher durch Wohnhäuser vom Großen Markt abgetrennten Kirchplatz. Das besondere Merkmal der Front ist die offene Halle. Dieser Raum unter drei gläsernen Satteldächern vermittelt zwischen dem Kirchplatz und dem Gebäudeinneren. Die seitlich ansteigenden Treppen weisen bereits auf die Treppenanlage im Inneren voraus.
Rhythmus, Proportionen und Materialität des Gebäudes sind von der historischen Bebauung abgeleitet. Durch die auf der Front prägenden Giebelformen und Satteldächer, durch die Gliederung der Bürotrakte in schmale, jeweils dreigeteilte Abschnitte, durch das wiederholte Motiv hochrechteckiger Fenster und durch den hellen Außenputz fügt sich der große Komplex zwanglos in das Stadtbild ein. Bautechnisch ist er dabei hochmodern und kombiniert ein in Ortbeton errichtetes Skelett mit vorgefertigten Betontafeln.
Der längsrechteckige Hauptbau des Stadthauses ist U-förmig aufgeteilt. Im Inneren bilden der überdachte Vorplatz, das große Treppenhaus und die Halle die zentrale Achse und Raumfolge, um die dreiseitig die Erschließungsflure und Büros sowie Nebenräume gelegt sind. Auf der Nordseite der Halle befinden sich Räume für den Bühnenbetrieb, hier schließt außerdem ein kleinerer Gebäudetrakt mit weiteren Büros an.
Das repräsentative Treppenhaus nimmt einen erstaunlich großen Raum ein. Die mehrläufige, durch Podeste, Rampen und Emporen gegliederte Treppenanlage geht weit über die reine Funktionserfüllung der Erschließung hinaus, mutet in ihrer Rauminszenierung fast wie ein barockes Prunktreppenhaus an. In der Mittelachse befindet sich im ersten Obergeschoss ein kleines Trauzimmer, dessen auf den Vorplatz weisendes Fenster eine Glasgestaltung mit Rosenmotiv zeigt. In der Ebene darüber erinnert eine eingebaute Wasserpumpe an die für Rheinberg typischen Pumpennachbarschaften. Die reiche Bestückung mit Kandelabern unterstreicht den Charakter des Raums.
Als Besonderheit weist die anschließende Halle die auf drei Seiten angeordneten intimen Logen auf, die einen repräsentativen Eindruck vermitteln. An den Brüstungen der Logen wie an der Decke befinden sich Glaspaneele mit illusionistischer Malerei, die drapierte Tücher und Rosen zeigt, typische Motive Böhmscher Innenraumkunst. Echte Textilvorhänge kommen ergänzend hinzu und führen das Spiel der Illusion fort. Interessanterweise erfolgt der Zugang zu Logen der Längsseiten von denselben Fluren, die auch die nach außen angeordneten Büros erschließen. Hier verbindet Böhm die beiden Bauaufgaben in besonderer Deutlichkeit, denn die Halle dient nicht nur für Fest- und Kulturveranstaltungen, sondern im Sinne eines Mehrzweckraums auch für Ratssitzungen und andere Anlässe. Da den Logen Richtung Flur und Treppenhaus außerdem kleine Sitzbänke entsprechen, ergibt sich eine weitere Verklammerung der Räume.
Das Stadthaus Rheinberg veranschaulicht das gestalterische Vermögen Böhms, sich in historische Zusammenhänge einzufühlen und seine Bauten städtebaulich zu konzipieren. Durch die Doppelfunktion als Rathaus und Stadthalle war im Stadthaus ein großes Raumprogramm unterzubringen, was dazu führte, dass beide Funktionen voneinander profitieren. Da die große zur Verfügung stehende Grundfläche vollständig überbaut werden konnte, breitet sich das Gebäude flächig aus und bildet keine vertikale Dominante. Neben dieser angepassten Kubatur sind insbesondere die Giebelmotive und der Fassadenrhythmus wichtige Gestaltungsmittel, mit denen die Einbindung in den Kontext gelingt. Das Motiv der Giebel und der Glashalle wendete Böhm auch bei der neuen Züblin-Hauptverwaltung in Stuttgart-Vaihingen (1981-1985) an, auch das Bezirksrathaus in Köln-Kalk (1986-1992) und das Hotel Maritim in Köln (Heumarkt, 1989 fertiggestellt) wären als Vergleich zu nennen. Das Kölner Hotel zeigt eine ähnliche dreiteilige Satteldachglasstruktur und nimmt ebenfalls ein Motiv der Umgebungsbebauung auf. Dass die im Außenraum verwendeten Lampenmasten in motivischen Variationen bis in den Innenraum fortgeführt werden, trägt ebenfalls zum kontinuierlichen Raumerlebnis und der Verklammerung innen-außen bei. Als Spezifikum des Inneren zeigt sich einmal mehr die Fähigkeit Böhms, Räume zu inszenieren und auch den eher funktionalen Aspekten wie der Erschließung eine große Raumqualität zu verleihen.
Das LVR-Amt für Denkmalpflege im Rheinland hat 2021 mit einer Denkmalwertprüfung für das Gebäude begonnen und den Denkmalwert festgestellt. Die Eintragung in die Denkmalliste der Stadt Rheinberg soll 2022 erfolgen.